Sonntag, 18. März 2018

Die Bibel - ein Wunder



Die Bibel - ein Wunder


Die Heilige Schrift ist ein Wunder. Und in einem gewissen Sinne ist dies auch ein Beweis dafür, dass sie die Offenbarung Gottes ist.
Stellen wir uns einmal vor, von verschiedenen Orten her bringe man Stücke bemalten Glases herbei, die zusammen ein Ganzes bilden. Würden wir da nicht sagen, ein Künstler habe ihre Anfertigung angeordnet, um ein Kirchenfenster daraus zu machen?
Oder vergegenwärtigen wir uns folgendes: Viele Männer aus mancherlei Ländern kommen mit Marmorstücken verschiedenartiger Formen, und beim Aufeinandersetzen dieser einzelnen Teile entsteht eine wohlproportionierte Statue. Würden wir da nicht voraussetzen, ein Bildhauer habe jedem dieser Männer ein Teilstück des Werkes in Auftrag gegeben, das herausgearbeitet werden sollte, gemäß der Fähigkeit jedes Beauftragten, aber vor allem entsprechend dem Gedanken des Bildhauers?
So setzt sich auch die Bibel aus 70 Büchern zusammen, die innerhalb einer Zeitspanne von 1600 Jahren geschrieben worden sind. Viele Männer mit verschiedenen Fähigkeiten und Begabungen haben an diesem Werk gearbeitet. Und wenn wir jetzt die Bibel in ihrer Gesamtheit betrachten, so sehen wir, dass ihre verschiedenen Teile gegenseitig die scheinbaren Widersprüche erklären und sich vervollständigen, und dass sie zusammen ein einziges Gemälde darstellen, gebildet und belebt durch den einen Geist.
Aber das erkennt nicht jedermann, gewiss nicht. Es braucht Verständnis zum Zusammensetzen der Glasstücke und zum Zusammenfügen der verschiedenen Marmorblöcke. So ist es auch mit dem Worte Gottes, das eingegeben und zusammengesetzt worden ist durch einen Geist. Nur wer diesen Geist besitzt, kann Sein Werk verstehen. Wie das Kirchenfenster und die Statue im Geiste und auf dem Plan des Künstlers schon ein Ganzes waren, bevor er die einzelnen Teile den Arbeitern übergab, so hatte auch Gott einen Plan für Sein ganzes Wort, bevor ein einziger Buchstabe geschrieben war. Darum sagt Petrus: «Keine Weissagung der Schrift ist von eigener Auslegung» (2.Petr. 1,20). Man kann eine einzelne Schriftstelle für sich nicht mit Genauigkeit erklären. Die Schrift ist ein Ganzes und unzertrennbar. Nur wer alles besitzt kann die Absicht des Geistes verstehen. Daher waren die Propheten genötigt, «nachzusuchen und nachzuforschen», denn die Offenbarung war damals noch nicht vollständig, und sie mussten sich auf die mündliche oder schriftliche Offenbarung stützen, die sie schon besaßen. Daher ist es auch widersinnig, in der Schrift Worte Gottes zu suchen und andere als Menschenworte zu verwerfen. Das Wort ist eine Einheit.
Der «Kanon» der Schriften hing keineswegs vom Entscheid eines Konzils ab, so wenig wie die Einheit der Teile, die eine Pflanze ausmachen, vom Professor der Botanik abhängt, der sie numeriert und klassifiziert. Wir haben nicht nötig, die Teile zusammenzusetzen, sie halten von selber zusammen. Ähnlich wie das Eisen sich an den Magneten klammert, so ziehen sich die Bibelteile an, sobald man sie einander nahe bringt.
Die Heilige Schrift ist lebendig. Der Mensch kann weder etwas hinzufügen, noch etwas hinwegnehmen, ohne dass man es merkt. Wer das nicht anerkennen will, schadet sich selbst, das Wort ändert sich dadurch nicht.
Daher muss auch die Auslegung der Schrift nicht durch eine Synode festgesetzt werden, wenn die Menschen auch verantwortlich sind, das zu bewahren, was Gott ihnen anvertraut hat. Und Gott ruft Seine Kinder auf, jedes persönlich, Sein Wort zu lesen. Und wer sich vom Geiste Gottes leiten lässt, wird immer zu dem zurückgeführt, was von Anfang war, zu der Absicht des Geistes. Es versteht sich von selbst, dass Gott der Versammlung Lehrer gegeben hat, die sie in dem unterweisen, was sie selber in der Schrift gefunden haben, und die daher eine besondere Berufung und Verantwortlichkeit haben, aber das gehört nicht zu unserem Thema: Die Bibel ein Wunder!
Seit die Welt besteht, haben Geschichtsschreiber, Dichter und Gelehrte, viele Bücher geschrieben. Unter diesen Büchern gibt es solche, wie zum Beispiel die des Homer, welche unnachahmliche Vorbilder geworden sind. Alle diese alten Bücher eines Homer oder Platon unter den Griechen, eines Virgil oder Horaz unter den Römern, und alle die neueren, Shakespeare oder Goethe, so schön sie auch sein mögen, wo sind sie? Man findet sie in den Bibliotheken der Gelehrten und der gebildeten Leute. Sie bilden den Geschmack, schärfen den Verstand, formen und verfeinern vielleicht die Gefühle derer, die diese Bücher lesen und verstehen können. Aber sie vermögen keiner Seele den Frieden zu geben, und für einen großen Teil der Menschen sind sie unverständlich.
Mit der Bibel ist es anders. Man hat angefangen, daran zu arbeiten, bevor es den Griechen überhaupt in den Sinn kam, Bücher zu schreiben. 1600 Jahre sind zwischen ihrem Anfang und ihrer Vollendung verflossen. Könige und Priester, Schriftgelehrte und Lehrer, Dichter und Hirten, Fischer und Zöllner haben daran gearbeitet. Sie haben sich nicht gekannt und konnten sich nicht miteinander verständigen. Die Sprachen, in welchen sie schrieben, sind nun tot, man spricht sie heute nirgends mehr. Aber selbst Kinder können die Bibel mit Genuss lesen, und Gelehrte achten sie. Große Denker wie ein Newton bekennen, dass sie dieses Buch nicht erschöpfen und nicht ergründen können. Einfache Leute erquicken ihre Seele durch die Bibel. Zivilisierte und primitive Völker beugen sich vor ihrer Macht, und überall, wo sie hingelangt, verbessert sich die Moral. Könige und Herrscher haben ihr widerstanden - sie sind verschwunden, aber die Bibel ist geblieben. Es ist das einzige Buch, das in fast alle bekannten Sprachen der Welt übersetzt worden ist, und die Zahl ihrer bestehenden Exemplare übersteigt bei weitem die Auflage jedes anderen Buches. Die Welt will nichts davon wissen, und doch ist sie in der ganzen Welt zu finden, vom Norden bis zum Süden, vom Westen bis zum Osten. Wer die Bibel nicht kennt, und wäre es ein Doktor oder ein Professor, ist ein Unwissender, wenn man über moralische oder geistliche Dinge mit ihm spricht; ein junger Knabe, der die Bibel kennt, könnte ihn beschämen. Die moderne Kritik greift die Bibel an, zernagt sie, schränkt sie ein und will nicht ein einziges ihrer Bücher voll anerkennen; aber dennoch bleibt sie weiterhin das Buch, das Millionen von Menschen leitet, die nicht einmal wissen, dass es so etwas wie moderne Kritik gibt.
Und, was noch wichtiger ist als alles andere; die Bibel hat, im Gegensatz zu jedem anderen Buch, während allen Jahrhunderten ihres Bestehens, dem Gewissen Ruhe, der Seele Frieden und dem Herzen Nahrung gegeben und zwar unzähligen Menschen der verschiedensten Alter, in niedriger und hoher Stellung. Die Bibel fährt fort, zu tun, was jedem andern Buch unmöglich ist: sie macht Menschen, die sie im Glauben aufnehmen so glücklich, dass sie im Frieden leben und sterben können, wenn es sein muss sogar eines Märtyrertodes. Nur die Bibel kann solches tun, und ein Buch, das derartiges zustande bringt, ist ein Wunder.
Soll ich noch schöne Zeugnisse beifügen? Es sind Worte von Ungläubigen:
Jean-Jacques Rousseau, der Apostel der Französischen Revolution hat einmal gesagt: «Ich muss bekennen, dass mich die Majestät der Bibel mit Bewunderung erfüllt und meinem Herzen immer größeren Eindruck macht. Prüfen sie die Werke aller Philosophen: wie gering sind sie neben der Heiligen Schrift, trotz der Pracht ihrer Beredsamkeit! Sollte es möglich sein, dass ein so einfaches und doch so erhabenes Werk Menschenwerk ist?» Diderot, dessen Schriften so viel zur Ausbreitung des Unglaubens beigetragen haben, hat unter anderem in einem Kreise von Gelehrten, die über die Bibel spöttelten, gesagt: «Die Bibel ist für mich ein unergründliches Rätsel. Alles, was in den Künsten und in der Literatur groß genannt werden kann, hat seinen Stoff aus diesem Buche geholt, oder verdankt ihm seine Form. Wenn ich glauben könnte, dass Gott geredet hat, so wäre ich der Erste, der anerkennte, dass wir in diesem Buche Sein Wort haben.»
Feinde und Freunde, alle anerkennen, dass die Bibel ein Wunder ist, dass sie Wunder getan hat, und dass sie immer noch Wunder tut.
Wäre dies möglich gewesen, wenn die Kritik zu beweisen vermocht hätte, dass man sich auf die Echtheit der Schriften nicht verlassen kann? Nein, denn sobald diese Autorität fehlte und jedermann sagen könnte: Dieses ist oder ist nicht ein Wort Gottes - dann würde alles von der Auffassung des Menschen abhängen. Alles wäre dann unbestimmt und nur noch eine Wahrscheinlichkeit. Wir könnten uns dann auf kein einziges Wort der Bibel mehr stützen. Wir hätten dem Feinde dann kein «es steht geschrieben» mehr entgegenzuhalten, und kein «es steht geschrieben» für den Frieden unserer Seele und für die Kraft unserer Verkündigung. Wir hätten keine Gewissheit mehr bezüglich des Sühnungstodes, der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi. Wir hätten keine Lehre der Rechtfertigung durch Gnade mehr. Die Bibel wäre dann ein Buch wie jedes andere und kein Wunder mehr!
In direktem Gegensatz zu diesen Vernunftschlüssen gibt es die eine Tatsache: Die Bibel ist ein Wunder. Mehr denn je wird heute die Heilige Schrift angegriffen. Sie hat Feinde jeder Gattung, selbst im Lager ihrer Freunde. Satan will das Wort entwerten, um dessen Autorität zu zerstören. Aber, Gott sei Dank, die durch dieses Wort bekehrten Sünder sind heute zahlreicher denn je. Immer deutlicher werden die Prophezeiungen, die sie enthält, durch die Geschichte bestätigt, handle es sich nun um den Verfall der Christenheit, oder um das Erwachen Israels und die Rückkehr der Juden in ihr eigenes Land.
Dieses Buch, das eine solche Macht besitzt, sollte es nicht ein Wunder sein? Der Apostel sagt: «Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein
Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben» (Hebr. 4,12. 13). Welcher Mensch würde von sich aus so etwas schreiben? Der Apostel kommt vom Worte Gottes unvermittelt auf Gott selber zu reden: «Das Wort Gottes ist lebendig... und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar.» Wir sehen hier: das Wort ist eins mit Gott. Es ist in Ihm verkörpert und darum führt es auch in die Gegenwart Gottes. Es macht weise zur Seligkeit (2.Tim. 3,15). Es ist wie Feuer, ein Hammer, der Felsen zerschmettert (Jer. 23,29). Es erleuchtet und gibt Einsicht (Ps. 119,130). Es zeigt uns unseren verlorenen Zustand und lässt uns erkennen, wer wir vor Gott sind (Joh. 4,29). Es reinigt die Seele (Joh. 15,3); denn es wird mit Wasser verglichen (Hes. 36,25-27; Joh. 3,5). Es pflanzt den Samen der Wiedergeburt in das Herz ein (1.Petr. 1,23; Jak. 1,18 und 21). Lasst uns die Bibel betend lesen und uns ihrer Autorität unterwerfen, denn sie ist tatsächlich das, was sie zu sein behauptet: das Wort Gottes.

aus: Halte fest Jahrgang 1958
Foto: pixabay.de

Montag, 5. März 2018

Die lebendige Einheit


Die lebendige Einheit, nach Epheser 4, 4

Wo stehen wir?


«Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung.»
Dieser Vers spricht zu uns von der Einheit des Leibes, der Einheit des Geistes und von der Einheit der Hoffnung unserer Berufung.

1. Der Gedanke der Einheit des Leibes ist überaus kostbar. Es handelt sich dabei nicht um eine Körperschaft von Menschen, die sich freiwillig zusammentun durch gleichgeschaltete Ansichten und Tätigkeiten. Nein, es handelt sich um einen lebendigen, einzigartigen Leib, um den Leib des Christus, um die Versammlung, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt (Eph. 1,23). Er kann nicht geteilt werden; denn wie könnte Christus geteilt werden? Dieser Leib hat jetzt hier auf dieser Erde seine Stätte für eine Zeit, die bald abgeschlossen sein wird. Er wurde gebildet an Pfingsten und wird hier auf der Erde bleiben bis zum Kommen des Herrn, wobei Er die Seinigen zu sich nehmen wird. Der Leib wächst, seine Glieder werden erneuert von einer Generation zur andern, in dem Masse, wie sie entschlafen in Jesus. Er hat nicht bestanden vor Pfingsten, und er wird sich auch nicht mehr hienieden befinden während der Zeitperiode der apokalyptischen Gerichte und des Tausendjährigen Reiches. Der Leib wird dann für immer vereint sein mit seinem verherrlichten Haupte im Himmel.
Aber wo wird er gegenwärtig gefunden? Er ist ein Leib, der von dem Leben des Christus lebt: er ist also überall da, wo das Leben des Christus bewußt und offenbar vorhanden ist. Die Frage wird manchmal gestellt, ob alle, die man Gläubige nennt, dazugehören. Wir dürfen uns in dieser Hinsicht nicht irreführen lassen, da dieser Ausdruck in der Christenheit einen undeutlichen Sinn erhalten hat. Auch dürfen wir nicht denken, dass wir fähig seien, alle wahren Gläubigen zu erkennen, denn dies steht nur Gott zu. Der Rahmen des «Leibes», wenn wir uns so ausdrücken können, wird uns in der Heiligen Schrift gegeben: «Denn auch in einem Geiste sind wir alle zu einem Leibe getauft worden» (1.Kor. 12,13).
Es ist gewiss, dass alle, die Jesus als ihren Herrn und Heiland bekennen und bei denen man daher das Leben des Christus sieht, als Glieder des Leibes betrachtet werden sollen, sogar die - und wie viele gibt es - welche darüber nicht das geringste Verständnis haben. Sie sind durch die Macht des Heiligen Geistes als Glieder an dem Leib gesetzt worden, der sie alle mit dem verherrlichten Haupte verbindet. Indem sie das Evangelium gehört und es im Glauben aufgenommen haben, wurden sie mit dem Geiste der Verheißung versiegelt; das Zeichen der Erlösung ist auf ihnen.
Aber bis es soweit ist mit einer Seele - während Gott am Werk ist, wirklich Busse in ihr zu bewirken und sie zu dem Punkt zu führen, wo sie, von neuem geboren, das Recht hat, ein Kind Gottes zu sein - wagt diese Seele meist nicht, sich als errettet zu bekennen, und auch wir können dann oft nicht weiter gehen als sie, wenn wir auch auf das Werk der Gnade in ihr Vertrauen haben dürfen. Anderseits vermag ein laut bezeugtes christliches Bekenntnis die Wirklichkeit nicht zu beschönigen, und es ist nicht selten, dass der Augenblick kommt, wo der wirkliche Zustand der Seele entlarvt wird.
Kurzum, die wahren Gläubigen zu erkennen, ist eine Sache des geistlichen Unterscheidungsvermögens. Wir haben in dieser Beziehung viel Demut und Abhängigkeit nötig. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass schon zur Zeit der Apostel sich falsche Brüder neben einschlichen unter die Gläubigen und «gewisse Menschen», die schon vorlängst, wegen ihres Abfalles von Gott, zum Gericht aufgezeichnet waren. In der heutigen allgemeinen Verwirrung haben wir zu wachen, dürfen aber gleichzeitig beruhigt sein in dem Bewusstsein, dass der «Herr kennt, die sein sind».
Auf jeden Fall ist es die Aufgabe der wahren Gläubigen, für sich selber und unter einander den Sinn des Wortes zu ergreifen: «Ihr aber seid Christi Leib und Glieder insonderheit» (1.Kor. 12,27). Es gibt kein menschliches Zwischenelement. Eine örtliche Versammlung, wie die der Korinther ist nur der Ausdruck der einen Versammlung, des Leibes Christi. Wenn eine Gruppe von Christen, sei sie klein oder groß, eine Gemeinde mit eigener Verfassung bildet, so leugnet sie praktisch die Einheit des Leibes des Christus. Und doch ist es gerade das, was die Menschen nie aufgehört haben zu tun, angefangen bei den großen Staats- und Volkskirchen bis hinab zu den kleinsten Körperschaften, die wir von allen Seiten hervorkommen sehen. Die Ermahnung des 3. Verses dieses 4. Kapitels im Epheserbrief ist hier von großer Wichtigkeit: «euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens».

2. Denn da ist eine Einheit des Leibes, weil es einen Geist gibt. Ein Leib ohne Geist ist tot (Jak. 2,26). Das Leben des Christus belebt alte Glieder seines Leibes durch den Heiligen Geist, in welchem wir, wie bereits gesagt, «alle zu einem Leibe getauft worden sind». Auch sind wir «alle mit einem Geiste getränkt worden» zur Einheit in einem Geiste. Es handelt sich ausdrücklich um eine durch diesen einen Geist gewirkte Einheit. Überall, wo sich das Leben des Christus vorfindet, ist der Heilige Geist da, der in der Macht «des Geistes des Lebens in Christo Jesu» wirkt (Röm. 8,2). Es ist eine einzige und unteilbare Person, eine göttliche Person hienieden. Gott gibt den Geist nicht nach Maß (Joh. 3,34). Es gibt nicht einen Geist für die Starken und einen Geist für die Schwachen, einen für die Unwissenden und einen für solche, die etwas mehr wissen. Der gleiche Geist redete durch Noah wie durch Mose und wie durch Haggai, und der gleiche Geist, der Paulus predigen hieß, ist auch Der, welcher heute in dem einfachsten Gläubigen wohnt. Ist Er nicht Christi Geist (Röm. 8,9)? Die Verschiedenheit seiner Wirkungen ist unbeschränkt, aber Er ist immer derselbe. Es ist «ein und derselbe Geist», der die Gnadengaben und die Dienste einem jeden insbesondere austeilt, wie Er will (1.Kor. 12,1-1 2), und Er ist es, der jeden leitet in dem, was Er ihm anvertraut hat. Erwirkt in und durch den Menschen, die aus Ihm geboren und von Ihm getauft sind. Die Kraft, in der Er dies tut, ist nicht vom Menschen abhängig: im Gegenteil, «der Geist gelüstet wider das Fleisch» (Gal. 5,17).

3. Dieser Geist ist, unter anderen Charakterzügen: der Heilige Geist der Verheißung, das Unterpfand des Erbes, angesichts dessen wir «berufen» worden sind mit heiligem Rufe - «in einer Hoffnung eurer Berufung». Schenken wir dieser Einheit und der Einzigkeit der christlichen Hoffnung genügend Beachtung? Sie ist nicht für diese Erde, sondern für den Himmel, wir müssen uns aufschwingen, um sie zu ergreifen (vergl. Phil. 3,12-14; Hebr. 6,18.19, und viele andere Stellen). Die persönliche Berufung ist ein Bestandteil der kollektiven Berufung, und zwar der Versammlung, des Leibes Christi. So verschieden die Wege der Christen sein mögen, sie haben alle das gleiche Ziel. Die gleiche Wohnung wartet auf sie im Vaterhaus. Alle, welche in den nacheinander folgenden Geschlechtern von Pfingsten bis zum Kommen des Herrn zu seinem Leibe gehören, werden angetan mit einem Leibe der Herrlichkeit, werden mit Christus vereinigt sein in den himmlischen Örtern. Diese Berufung und ihre Hoffnung machen uns und machen die ganze Versammlung zu Fremdlingen hienieden, denn wir sind schon jetzt «Hausgenossen Gottes». Aber bald wird die Braut, vereint mit ihrem Bräutigam, eins sein mit Ihm, den Platz einnehmen, den der Ratschluss Gottes für sie vorgesehen und das Werk Christi ihr erworben hat. Glückselige Hoffnung, gemeinsames Teil aller! Und dies schon jetzt, auch wenn nicht alle persönlich und gemeinsam im Genuss davon sind, wie der Heilige Geist sie dazu einlädt.
Aus den wichtigen Wahrheiten, die wir soeben dargelegt haben, ergibt sich unter anderem, dass
* jedesmal, wenn sich eine unabhängige Körperschaft bildet,
* jedesmal, wenn sich die Menschen einmischen in die Belange des Geistes Gottes, indem sie Menschen bestimmen zu öffentlichen Ämtern für die Verwaltung der Versammlung,
* jedesmal, wenn man den Gläubigen, also der Versammlung ein anderes Ziel vor Augen stellt, als die Verwirklichung ihrer himmlischen Berufung, in Erwartung des Herrn und in Ausübung seines Dienstes in der Welt, ohne von der Welt zu sein, die lebendige Einheit in Wirklichkeit geleugnet, Christus als Haupt der Versammlung verkannt und sein Zeugnis geschädigt wird.
Seien wir nicht erstaunt, dass in einer Zeit, wo die Irrlehrer überhand nehmen, wir eine Vermehrung religiöser Gruppen feststellen, die sich alle auf das Christentum berufen, aber ihre eigenen Grundsätze, ihre besonderen Programme, ihre besonderen Kirchenordnungen haben, verbunden mit einem Gemisch von biblischen Wahrheiten mit menschlichen Überlegungen, von evangelistischem Eifer mit sozialen Bemühungen. Wundern wir uns auch nicht, dass, in scheinbarem Widerspruch zu dieser Zerstückelung, die Führer großer religiöser Organisationen sich anstrengen, eine Einheit unter nicht zusammenpassenden Elementen zu schaffen. Dabei entsprechen sie den Wunschgedanken vieler aufrichtiger Seelen, die unter dem gegenwärtigen Zustand der Dinge seufzen. Aber warum sehen diese Seelen nicht, wie sehr eine solche Einheit menschliche Machenschaft ist? In Wirklichkeit durchkreuzen sich dabei Sektiererei, Freiheit für den Eigenwillen und Festhalten an Überlieferungen, zur großen Verwirrung der Gläubigen.
Man kann es nicht genug betonen: die Einheit muss, Gott sei Dank, nicht gebildet werden. Sie ist bereits gemacht, es gilt jetzt nur, sich ihr anzupassen. Danken wir Gott, dass in diesen bösen Tagen des Endes, in welchen wir leben, der Heilige Geist, der so wirklich hienieden ist, wie am Anfang der Kirche, durch nichts gehindert werden kann, seine Arbeit an den Seelen fortzusetzen, um sie aus der gegenwärtigen bösen Welt herauszunehmen. Danken wir Ihm, dass nichts die unzerstörbare Einheit der Versammlung antasten kann, dass nicht ein Jota der Zusicherungen in Epheser 4 verfällt. Ebensowenig kann die Liebe des Christus für seine Versammlung, für die Er sich hingab, abnehmen.
Gesegnet sind, die durch seine Gnade verstehen lernten, dass, um diese Einheit darzustellen, man hinausgehen muss zu Christus, indem man sich von den zerstörenden Irrtümern und dem moralisch Bösen zu Ihm hin absondert, um sich unter der alleinigen Leitung des Geistes Gottes zu versammeln.
Alle diese Wahrheiten sind schon oft vorgestellt worden. Aber es gibt eine Seite, der wir wahrscheinlich nicht genügend Beachtung geschenkt haben: Ich möchte hinweisen auf die Gefahr, inmitten der Christenheit eine weitere dieser besonderen Körperschaften zu bilden, die die sichtbare Einheit, von der die Rede war, zerstören. Es wird uns immer wieder vorgeworfen: im Namen der Einheit, die ihr verkündigt, bildet ihr eine neue Sekte! Gott bewahre uns davor! Doch muss man diese Gefahr ins Auge fassen, um wirklich bewahrt zu bleiben sowohl vor sektiererischer Gesinnung als auch vor Verweltlichung. Die beiden stehen einander näher, als wie es den Anschein hat.
Es ist leicht, vorzugeben, von allen menschlichen Verbindungen befreit zu sein und den Platz, wie wir es gerne ausdrücken, auf dem Boden der Einheit des Leibes einzunehmen, das heißt, uns nach diesem Grundsatz zu versammeln, der wohl der einzig richtige ist. Aber wenn wir nicht die Einheit des Geistes bewahren, befinden wir uns dann nicht bald im scharfen Widerspruch dazu? Unbemerkt werden die Formen Oberhand gewinnen, man sieht gewisse Gewohnheiten sich festsetzen, die allmählich zur Tradition werden, wenn auch keine Verfassung oder geschriebene Vorschriften bestehen. Lassen wir uns dann nicht unbemerkt fortreißen zu einer kirchlichen Organisation, welche die Einheit vortäuscht? Ist es dann nicht so, dass man den Dienst einigen Wenigen überlässt und die Übrigen nicht mehr geübt sind, sich zu beteiligen? Bei einem solchen Verhalten wird der Leitung des Heiligen Geistes wenig Raum gelassen. Er wird dadurch betrübt, ja sogar ausgelöscht. Die äußere Absonderung bleibt, aber man geht von dem Zusammenkommen, das uns in 2.Tim. 2,22 vorgestellt wird, zu einer falschen Nachahmung des «einen Leibes» über. Man baut wieder Dinge auf, die man verworfen hatte, und dies auf einer engeren Basis, die nichts mehr zu tun hat mit der echten und soliden Grundlage Gottes. Im Innern sieht man die Bruderliebe abnehmen, zum Schaden des ganzen Zeugnisses (Joh. 13,35). Es zeigt sich der Mangel, einander zu ertragen, wenn sich kleine Unterschiede in den Ansichten zeigen, die die Grundwahrheiten nicht antasten, bis es zu einem traurigen Bruch der Gemeinschaft kommt. Gegenüber draußen verhärtet sich das Herz, anstatt mit Liebe den unbekehrten Seelen zu begegnen, als ob es uns nichts anginge, wenn uns der Dienst am Evangelium entzogen würde. Desgleichen kümmert man sich wenig um so viele wirklich Gläubige, die eingezäunt sind in religiösen Systemen, wobei wir doch betrübt sein sollten, sie dort zu sehen, und es unsere Aufgabe wäre, ihnen behilflich zu sein, sich davon zu befreien. Wo sind die Aquilas und die Priscillas, die besorgt sind, die Apollos zu unterrichten? Dieser Mangel an Sorge um die, welche wir als Christen kennen, als Glieder am Leibe des Christus, ist er nicht ein Zeichen der Engherzigkeit unter dem Deckmantel der notwendigen Enge im Wandel auf dem schmalen Wege? Welchen Wert hätte ein solcher Wandel, wenn es nur eine Form der Gottseligkeit wäre, ohne Inbrunst und Mitgefühl? Paulus ermahnte die Korinther, «weit» zu werden, denn sie waren «verengt» in ihrem Innern, sowohl ihm als auch den Menschen gegenüber, für die er sich von der Liebe des Christus gedrängt fühlte. Und er zeigte ihnen, dass sie in diesen Zustand kamen, weil sie der Welt gegenüber «weit» geworden waren.
In der Tat, gleichlaufend mit den religiösen Formen kommt die Welt in verfänglicher Weise in unsere Mitte. Ohne dass wir uns dessen bewusst sind, bringen wir in die Familie Gottes Bräuche der Welt hinein, oder formen solche zu unserem Gebrauch um. Zu guter Letzt bringen wir uns in Gefahr, in eine geschlossene Gesellschaft, aber nach dem Muster der Welt, zu gleiten, wiewohl wir bekennen, nicht von ihr zu sein. Die Absonderung besteht dann nur aus streng an Formen gebundenen Übereinkünften.
Sich auf sich selbst zurückziehen ist etwas ganz anderes als sich miteinander eng an Christus anschließen in «unserem Zusammenkommen» in seinem Namen. Das Sich-auf-sich-selbst-zurückziehen gebiert früher oder später eine pharisäische Gesinnung, während das wirkliche Zusammenkommen um die Person des Herrn uns in der Demut erhält. Er allein ist dann der Gegenstand unseres Ruhmes, aber weich ein Gegenstand!
Ja, gewiss, nichts hat geändert in dem, was von Ihm ist. Da ist ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung. Aber die Einheit des Leibes wird bei uns nur in dem Maße eine sichtbare Wirklichkeit, wie der eine Geist in uns wirkt und wie unsere Geister untereinander eins sind, indem jedes mit Ihm in Übereinstimmung ist.
Nichts hat sich geändert was den einen Leib, den einen Geist und die eine Hoffnung anbetrifft, aber auch nichts hat sich geändert in dem, was uns im Worte Gottes eingeschärft wird, damit das Leben des Christus sich in unseren Beziehungen zeige in praktischer Heiligkeit, in Bruderliebe, in Demut, in Langmut, im Ertragen in Liebe, indem wir «die Einheit des Geistes im Bande des Friedens» bewahren.
Das Geheimnis in dieser Hinsicht ist immer dasselbe: das göttliche Leben in uns durch den Geist Christi. Ist es nicht bemerkenswert, dass in 1.Timotheus 3,15.16 das Geheimnis der Gottseligkeit - die Kenntnis der Person des Christus, die Quelle der Gottseligkeit - verbunden ist mit dem Verhalten im Hause Gottes, der Versammlung des lebendigen Gottes?
Hören wir doch, Brüder, auf die Stimme, die allein Macht hat, uns aufzuwecken: «Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!» Dass Er doch leuchte in unserem Leben und wir ein sichtbares und leserliches Zeugnis seien von der einen Versammlung, dem Leib eines verherrlichten Christus, und von dem Bau, gegründet durch Christus auf diesen Felsen: «Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.»

aus: Halte fest, Jahrgang 1977